Zurück in die Schweiz
Koffern wurden gepackt und schon voraus geschickt. Vieles haben wir zurück gelassen. Eine Familie aus Texas, die unten am Fluss wohnte, bekam fast alle unsere Spielsachen und Kleider, worüber sie sich sehr freuten.
Die Lehrerinnen und Schulkinder bedauerten unseren Weggang. Von den Lehrerinnen bekamen wir ein paar Schulbücher geschenkt, und sie sagten uns, dass wir sie nicht vergessen sollen.
Am letzten Abend in unserem Zuhause wurde Abschied gefeiert. Viele Bekannte kamen, um uns “Lebewohl” zu sagen. Manche Träne fiel, hie wie da.
Weil es so viele Sorten von Obstgärten gab auf diesem Gut, stellte Vater auch Wein und Apfelmost her. Mutter hatte die Begabung, Bier herzustellen. Das alles, mit viel Selbstgebackenem, wurde an diesem Abend herumgereicht. Ein Bekannter aus der Schweiz spielte auf seiner Handorgel Heimatlieder. Am nächsten Morgen gab es früh “Tagwach”. An diesem 27. März 1934 begleitete uns Vater in einem Taxi zum Bahnhof nach St. Louis. Grosse Schneeflocken begleiteten uns, und wir mussten schweren herzens voneinander Abschied nehmen.
Vater hatte noch vieles zu erledigen um den Haushalt aufzulösen. Wir konnten lange nicht alles mitnehmen. Das wäre viel zu teuer geworden. Dazu kam auch, dass wir viel Geld verloren haben. Das war die Zeit, als in Amerika die Wirtschaft zusammenbrach. Wer Geld bei gewissen Banken angelegt hatte, verlor es. Zum Glück hatte Vater auf zwei verschiedenen Banken sein Erspartes deponiert. Diese Reserve kam uns zugute. Wir konnten damit die Heimfahrt bestreiten. Auch konnten wir hier Vieh anschaffen, und was in Haus und Feld fehlte, konnten wir damit noch kaufen. Vater hat damals gut und umsichtig kalkuliert, als er noch vor 1920 unser Haus und Land käuflich erwarb.
In den letzten zwei Jahren in Amerika hatten wir auch Musikunterricht. Meine Schwester lernte Geige und ich Bango. Wir spielten bald schon recht gut zusammen. Für unseren Bruder wollte der Vater eine Klarinette kaufen. Dies falls er, wenn er älter ist, Interesse daran hat.
Nun, auch die Instrumente liessen wir zurück. Auch nicht zuletzt deshalb, weil es von Saxeten aus schwierig gewesen wäre, Musikunterricht zu nehmen. Wir hätten diesen Unterricht nur in Interlaken besuchen können.
Unser Rückreise-Schiff hiess Manhattan. Das Meer war auch in jenen Märztagen sehr stürmisch. Nachts mussten wir uns an den Wandgriffen festhalten, um nicht aus dem Kajütenbetten herauszufallen. Mutter und der Bruder schliefen im Bett direkt unter uns. Auf der ganzen Reise wurden wir nie seekrank. Von unseren lieben Freunden in Amerika bekamen wir zum Abschied viele Süssigkeiten, welche wir zwischen den Mahlzeiten assen.
Während der Reise auf dem Schiff wurde eines Tages von Beamten eine Inspektion gemacht. Es wurde kontrolliert was man alles mitführte. Unser kleiner Bruder hat unsere Mutter vor Unannehmlichkeiten bewahrt. Sein übereiltes Öffnen der Koffer, wodurch vieles herausfiel und eine peinliche Situation entstand, bewog die Beamten diese Aktion bei uns zu beenden. Glücklicherweise, denn gerade in diesem Koffer befand sich eine unerlaubte Menge Kaffee.
Einmal mehr freuten wir uns über unseren Bruder. Unsere Nachbarsfamilien wollten ihn in Amerika behalten. Mutter sagte darauf: Seit wann verschenkt man Kinder?
Vom Schiff aus schrieben wir Vater. Mutter hatte wieder ihre liebe Mühe mit uns. Wir waren sehr lebhaft, vor allem unser Bruder. Er kletterte mit Vorliebe auf der Reeling herum. Wir haben auch auf dieser Reise viel erlebt. Einmal, als wir wieder oben auf Deck waren, kam eine junge Mutter mit ihrem ca. dreijährigen Töchterchen. In der Zeit, in der sich die Frau gerade mit jemandem unterhielt, krabbelte das Kind an einer runden Öffnung hoch, die direkt zum Meer führte. Unsere Mutter konnte das Kind noch im letzten Moment vor einem Sturz zurückhalten. Ein Matrose machte der Frau anschliessend heftige Vorwürfe. Für eine Mutter mit Kleinkindern war es oft wirklich nicht einfach. Die Gefahren lauerten überall.
Die Schiffreise neigte sich ihrem Ende entgegen. Es war Abend, als wir in Hamburg vom Schiff stiegen. Wir konnten noch rechtzeitig den Zug, der uns von Deutschland nach Basel brachte, erreichen. Diese Reise habe ich nicht gerade angenehm in Erinnerung. Wir mussten mit fünf betrunkenen Männern das Abteil teilen. Sie wollten immer unseren kleinen Bruder mitnehmen, um ihm beim nächsten Halt Schokolade zu kaufen. Ein freundlicher Kondukteur erfasste die Situation und stellte uns später ein anderes Abteil zur Verfügung.
In Basel sind wir etwas zu früh ausgestiegen. Als Mutter dann einen jungen Bahnbeamten fragte, in welchen Zug wir umsteigen mussten, schnauzte er Mutter an, ob sie nicht lesen könne.
Zufällig hörte das ein älterer Beamte und sagte diesem jungen Mann, ob er auch nicht lesen könne. Die Frau mit den drei Kindern komme aus Amerika. Er werde dafür sorgen, dass er in Zukunft freundlicher umgehe mit den Leuten.
Immer wieder fragten wir Mutter, ob sie denn ganz sicher wisse, wohin wir zu gehen haben. Die Passagiere in der Bahn waren sehr aufmerksam und haben uns überall Platz gemacht. Wir legten uns auf die Bank im Zug und schliefen. Die Leute realisierten, dass wir von weit her kamen.
Als wir einmal aufwachten und neben dem Thunersee entlang fuhren, fragten wir Mutter, ob wir wieder auf dem Meer seien.